Andrea

Andrea wurde 1971 in der damaligen DDR geboren. Ihre Eltern trennten sich 1975 und schon vor der Scheidung war für die Mutter klar, dass der neue Ehemann ihre Tochter adoptieren sollte. Für sie stand fest, dass Andreas Vater die neue Familie nur stören würde und deshalb entsorgt werden musste.

Die Mutter machte keinen Hehl daraus, dass sie die Tochter dem Vater entfremden wollte. Auch Gespräche mit dem Jugendamt änderten daran nichts. So bekam der Vater die Auskunft, man könne ein Besuchsrecht nicht mit Polizeigewalt erzwingen. Mit Sorge beobachtete der Vater, dass der Adoptivvater Andrea sehr hart behandelte. Er schlug sie, fremde Leute machten den Vater darauf aufmerksam, dass der Adoptivvater seine Tochter anzuschreien pflegte.

Andrea wurde schließlich am 11.Mai 1977 von dem neuen Ehemann ihrer Mutter adoptiert. Der Vater hatte ohne eine Anhörung eines Gerichts einem Jugendausschuss gegenüber seine Zustimmung zur Adoption abgegeben. Er begründet dies heute mit der damaligen Situation in der DDR, in der Väter nach einer Trennung keinerlei Rechte gegenüber den Kindern hatten. Die neuen Eltern Andreas waren nun den Vater endlich los. Der Vater sah in der Zustimmung damals auch einen letzten Versuch, das Leben seiner Tochter zu erleichtern, da die Kontakte mit seiner Tochter immer wieder Konflikte in der neuen Familie zur Folge hatten.

Zwei Jahre lang hatte sich der Vater völlig zurückgezogen, als er Andrea wieder begegnete. Eigentlich war er nur zur Schule gefahren, um seine Tochter aus der Ferne zu sehen. Sie aber kam auf ihn zu und "wir waren sofort ein Herz und eine Seele". Es war nicht zu übersehen: Ihre neue Familie war Andrea ein Gräuel. Die Adoption, mit der ihr Vater eigentlich die Situation der Tochter erleichtern wollte, "hatte überhaupt nichts genützt".

Andrea bekam heraus, wo ihr Vater und dessen neue Frau wohnten und besuchte sie einfach. Zuerst heimlich, später mit Wissen der Mutter und des Adoptivvaters.

Es war offensichtlich, dass der Adoptivvater zu keinem Zeitpunkt ein Vater-Kind-Verhältnis zu der Adoptivtochter aufbauen konnte. Zu der jetzigen Frau des Vaters entwickelte sich ein sehr vertrautes Verhältnis. Auch mit ihren jüngeren Halbbrüdern pflegt sie eine Beziehung unter Geschwistern.

Andrea und ihr Vater leiden unter der Situation. Sie wollen die Adoption rückgängig machen und beantragten deshalb die Aufhebung der Adoption.

Das Amtsgericht Hamburg teilte am 30.12.2005 jedoch mit, dass eine Aufhebung nicht möglich sei. Gemäß Art. 234 § 13 Abs. 6 EGBGB konnte dieser Aufhebungsvertrag nur bis zum 2.10. 1993 gestellt werden. ( Az.: 60 XVI 96/05 ) Das Gericht wies in dem Beschluss "zudem darauf hin, dass Sie und ihr leiblicher Vater die Möglichkeit der Adoption durch ihren leiblichen Vater prüfen sollten".

Beide beantragten die Adoption als Erwachsenenadoption. Das nun zuständige Gericht wies auf den § 1741 Abs.2 Satz 2 BGB hin, nach dem verheiratete Personen ein Kind nur gemeinsam annehmen können. "Demnach müsste die Annahme auch durch die Ehefrau des Annehmenden erfolgen."

Diese Forderung stürzt Andrea in einen nicht auflösbaren Konflikt. Bei einer Adoption durch die Ehefrau würde sie ja die Verwandtschaft zu ihrer leiblichen Mutter aufgeben müssen. Aber: "Meine leibliche Mutter habe ich bis heute als meine Mutter empfunden. Ich bitte, dies als meine Entscheidung zu akzeptieren. Ich weiß, dass sie mich liebt. Nur die Sprache ihrer Liebe kann ich nicht verstehen."

Das Amtsgericht Wedding verkündete darauf hin am 5.2.2007 unter der Geschäftsnummer 51 XVI 4/06 :

Der Antrag auf Adoption wird zurückgewiesen.

Alle beteiligten Personen sind sich einig, dass die Adoption von Andrea im Alter von 6 Jahren gescheitert ist. Alle beteiligten Personen würden einer Aufhebung der Adoption oder auch einer Rückadoption durch den Vater zustimmen.

Es ist jedoch nicht möglich. Nach dem Gesetz bleibt Andrea das Kind eines Mannes, der nicht ihr biologischer Vater ist und zu dem sie niemals ein Vater-Kind-Verhältnis hatte.

 

Einen kleinen, aber wichtigen Erfolg hat Andrea doch noch erlebt:

Sie lebt heute in Irland. In diesem Land gibt es die Möglichkeit, per "Deed Poll" seinen Namen zu ändern. Sie führt heute wieder den Namen, unter dem sie geboren wurde, den Namen ihrer beiden Eltern.

Leider ist jedoch diese Namensänderung in Deutschland nicht anerkannt. Für die Behörden in Deutschland existiert sie weiter unter dem Namen ihres Adoptivvaters.

Andrea hat inzwischen auch einen Antrag auf die Staatsangehörigkeit Irlands gestellt. Damit erhält sie dann einen gültigen Pass auf ihren Namen.

 

(Die Identität der Personen ist dem Verfasser bekannt)